Der Martinstein

Hoch überm Reichenbacher Tale, - "Hohgrund" wird dieser Ort genannt -,
lebt einsam, stolz und waldumfriedet ein stark Geschlecht,
gar weit bekannt der Beste der den Pflug hier führte,
das war der Bauer Martin Späth, sprach immer an dem mächt'gen Steine,
unweit des Hofs, sein Nachtgebet. Ward "Martinstein" drum auch geheißen,
von da an bis zum heut'gen Tag; an diesem soll man jetzt noch sehen,
tief eingedrückt, nach alter Sag, des sel'gen Knie,
die Spitz des Stockes und seinen Rosenkranz dazu,
weil er alltag dort hat gebetet, bis man ihn führt zur ew'gen Ruh.
Oft hörte er des Abends läuten vom Tale einer Glocke Ton:-
noch keine Kirch war da gestanden - es war geläut vom Himmel schon.
Dann legte er die Arbeit nieder und eilte nach dem Steine hin,
um Lob und Dank empor zu senden am heil'gen Ort mit frommen Sinn.
War meist zur späten Dämmerstunde, da er ihr Klingen stets vernahm;
des Samstags doch, schon als die Sonne vom Süden erst gezogen kam,
dann läutete die Himmelsglocke die Feier ihm schon Mittags ein;
und früher als an andern Tagen stellte er die Arbeit ein.
Nur einmal war's zur Zeit der Ernte, da wollt'er erst noch unter Dach der letzten Garbenwagen
bringen, ging nicht mehr der Gewohnheit nach beim Läuten dort hinauf zum Steine,
drum ist ihm auch an diesem Tag der Glocke Laut nicht mehr erklungen unsagbar groß
war seine Klag! Hat aber nur acht Tag'gewähret, daß er nicht hörte ihr Getön,-
dann konnt'er wieder klar vernehmen den Klang so traut und himmlisch schön.
Hat nie mehr jetzt den Gang versäumet zu seinem Heiligtume hin,
wenn auch gar viel ihn darob schalten, kein Spott, kein Höhnen störte ihn.
Und als sie ihm entgegenhielten, das alles sei nur leerer Wahn,da rief er laut:
" So war die Sichel am Himmel stehen bleiben kann, die ich emporwerf, hör ichs läuten ".
Da warf er sie gen Himmels Höhn -und wunderbar,
vor aller Augen blieb sie dem Mond gleich, oben stehn. Zum Lohn für sein beharrlich Beten
ward ihm am Stein geoffenbart, daß im "Hohgrund" auf seinem Hofe nicht untergehe fromme Art;
noch heute gibt über diesem Tale der Martinsstein ob dem Hohgrund
bis hin in ferne Zeiten von edler Bauernart uns Kund!
Doch nicht nur die Gestalt des Steines erinnert uns an Martin Späht, es ist auch jene schöne Kirche,
die dort auf unserem Friedhof steht. Als Martin nahen fühlt das Ende,
versammelt er um sich sein Hausund sprach voll Würd:
" Ihr Lieben alle, ich spür's, mit mir geht es bald aus!
So wahr ich euch hier stehen sehe, wird dieses Hofes schönstes Tier
uns bald zwei schwarze Kälber schenken, ein jedes gar ein wilder Stier,
wenn sie mit Gott herangewachsen und ich das Aug geschlossen hab,
spannt sie, die noch kein Joch getragen mir an zur Fahrt nach meinem Grab.
Dann tretet ehrfurchtsvoll beiseite und laßt den Tieren ihren Lauf, den ersten Rast sie halten,
da stellt mir einen Bildstock auf; wo sie nach Gottes heilgern Willen verweilen dann,
das zweite Halt erbaut mir eine Waldkapelle und sei es auch im vord'ren Tal dort,
wo sie abermals sich stellen, da gebt mir dann die Erde her;
und über meinem Grab erbaut die Kirche zu Sankt Martin's Ehr".
Als er voll Andacht so gesprochen, da leuchtete sein Aug so klar
und jedes Wort hat geklungen, als ob es Gottes Stimme war.
Wie er's gesagt, so ist's gescheh'n, wo's von der langen "Eck" hergehtda grüßt der Bildstock,
die Kapelle weit vorn am Weg, die Kirch wo's war dasdritte Mal.Am Hange dort,
wo endlich hielten die gottgeweihten Tiere dann,wollt man die Kirch erst nicht erstellen,
fing nah der Stadt zu bauen an.Doch siehe da, am andern Morgen lag's Bauholz an dem alten Ort-
und als ein Frevler war gestorben, trug's niemand mehr von diesem fort.
Das Gotteshaus, es zeugt noch immer von Martins letzter frommer Tat,
umringt von vielen, vielen Gräbern: Gott gebe allen seine Gnad!






counter.de